Aus dem Landtag

Unmittelbar vor der Landtagssitzung am 19. Oktober haben in der Herrengasse an die 300 Pflegkräfte lautstark für verbesserte Arbeitsbedingungen, vor allem in Bezug auf Personalausstattung und Bezahlung, demonstriert. Der Druck in der Pflege war schon vor Corona immens groß, durch die extrem schwierigen Bedingungen und Herausforderungen in den letzten eineinhalb Jahren hat sich die Situation dramatisch zugespitzt. Immer mehr in der Pflege Beschäftigte, wollen aus dem Beruf aussteigen, viele erfahrene Pflegekräfte gehen mit der Baby-Boomer-Generation in Pension, zu wenig junge Pflegekräfte rücken nach. Dabei haben wir in der Steiermark binnen kürzest möglicher Zeit, die Zahl der Ausbildungsplätze verdoppelt: 220 Personen haben im heurigen Herbst mit einer FH-Ausbildung begonnen, über 140 Personen absolvieren eine dreijährige Ausbildung in der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege, 110 Pflegekräfte befinden sich im Aufschulungslehrgang von der Pflegeassistenz zur Fachassistenz und viele junge Menschen (vor allem Mädchen) werden in land- und hauswirtschaftlichen Fachschulen zu Pflegeassistenten ausgebildet. Eine neue Personalausstattungsverordnung wurde bereits auf den Weg gebracht, ein neuer Bedarfs- und Entwicklungsplan speziell für die Pflege ist in Ausarbeitung. Dass die Landesregierung und hier speziell die zuständige Gesundheitslandesrätin untätig wäre, kann man ihr ganz sicher nicht vorwerfen. Trotzdem ist es mit mehr Personal alleine ganz sicher nicht getan.

Während das 20. Jahrhundert als jenes des medizinischen Fortschritts galt – unglaublich, was auf diesem Sektor alles gelungen ist(!) – dürfte das 21. Jahrhundert wohl das Jahrhundert der Pflege werden. Im betreffenden Unterausschuss des Landtages habe ich die Möglichkeit, mich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei habe ich sehr schnell erkannt, dass es nicht genügen wird, an wenigen kleinen Stellschrauben zu drehen, sondern dass eine große Systemumstellung erforderlich ist. Auf Landesebene allein wird uns das nicht gelingen, dazu braucht es eine bundesweite Reform unseres Gesundheits- und Pflegesystems. Unser aller Ziel muss es sein, letztendlich die Zahl der gesunden Lebensjahre in der Gesamtbevölkerung zu steigern. Schweden hat uns da einiges voraus und kann uns als Vorbild dienen, wie wir die Gesundheitsvorsorge auf neue Beine stellen und präventiv im Alltag, in Beruf und Freizeit wirken können. Im Grunde wünschen wir uns doch alle in Gesundheit und Würde zu altern und ein selbstbestimmtes Leben in der gewohnten, familiären Umgebung führen zu können. Wir müssen deshalb unseren Fokus viel stärker auf mobile Dienste, den Ausbau von Tageszentren und die Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger richten, dürfen gleichzeitig aber auch nicht auf die Qualifizierung und Professionalisierung in der Pflege vergessen, um dem viel zitierten „Pflegenotstand“ entgegenzutreten. Dabei muss immer der Mensch im Zentrum unseres Denkens und Handelns stehen: Sowohl der, der die Pflege braucht, als auch der, der die Pflege leistet. Pflege darf dort wie da nicht zur Last, zu einer immer größeren Belastung werden, der man früher oder später nicht mehr gewachsen ist und wo letztendlich die zu Pflegenden, aber auch jene, die die Pflegeleistung erbringen, darunter leiden. Dass mit der Abschaffung des Pflegeregresses der Trend zur Heimunterbringung verstärkt wurde, liegt auf der Hand. Im Grunde wurde ein Anreiz geschaffen, sich für die teuerste aller Versorgungsvarianten zu entscheiden, wobei hier der Kostendruck eindeutig bei der öffentlichen Hand, also letztlich wieder bei uns allen im Sinne einer solidarischen Gesellschaft liegt. Deshalb werden auch 2022 die Ausgaben im Bereich Gesundheit und Pflege wieder enorm steigen. Eine Systemumstellung geht sicher nicht von heute auf morgen, genauso wenig wie wir ad hoc die fehlenden Pflegekräfte aus dem Hut zaubern können – trotzdem gilt es konsequent daran zu arbeiten, nicht locker zu lassen und gemeinsam an einer – auch in Sachen Pflege – zukunftsfähigen Steiermark zu arbeiten!

Herzlichst, Ihre LAbg. Bgm. Silvia Karelly